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Dritter Bericht aus Jayyous: South gate geschlossen (3.2.09)

 
     
  Die Bauern aus Jayyous, die ihr Land bestellen wollen, das hinter der Sperranlage liegt (ca. 75 % ihres landwirtschaftlichen Grundes), benötigen eine Genehmigung für das Passieren der Sperranlage durch eines der "gates". Welche Probleme es bei der Erteilung der Genehmigungen gibt, ist ein anderes Thema, auf das ich in einem der nächsten Berichte eingehen werde. Nur etwa vier von zehn Antragstellern bekommen eine Genehmigung nur für ein bestimmtes gate, die immer befristet ist, meistens auf ein halbes Jahr. An den gates machen wir unterschiedliche Erfahrungen.
Gestern früh standen wir am North gate, das morgens von 6 Uhr 45 bis 7 Uhr 30 geöffnet ist (nachmittags gibt es zwei weitere Öffnungszeiten). Die etwa 25 Bauern, die das gate passierten, wurden zügig abgefertigt, die Kontrollen (Passierschein, Kleidung, Rucksäcke, Ladefläche der Eselskarren und Kleinlastwagen etc.) waren nicht übertrieben penibel. Die Soldaten waren "geschäftsmäßig freundlich". Als fünf Minuten nach Schließung des gate - die Soldaten waren bereits auf dem Weg zu ihrem Jeep - ein Bauer auf seinem Esel herangaloppiert kam, wurde das gate nochmals geöffnet. Alles in allem also für die Bauern, die das gate täglich passieren müssen, ein erfreulicher Morgen? Einerseits ja, da die Abfertigung "reibungslos" vonstatten ging. Andererseits müssen wir uns drei Dinge klarmachen. Erstens: Die Bauern wollen nicht in einen anderen Staat oder auf das Land anderer Leute, sondern auf ihr eigenes Land, über das sie seit dem Bau der Sperranlage nicht mehr frei verfügen dürfen und zu dem ihnen der freie Zugang genommen wurde. Da ist eine "reibungslose Abfertigung" kein Trost. Zweitens: Die Bauern, die zu den 60 % gehören, denen keine Genehmigung erteilt wurde, sind hier gar nicht zu sehen. Sie gehören aber dazu, wenn man sich über die gates einen Gesamteindruck verschaffen will. Drittens: Die Soldaten haben einen relativ großen Ermessensspielraum, was das Einhalten der Öffnungszeiten und die Behandlung der Leute angeht, die passieren wollen. Wie groß ihr Spielraum ist, konnten wir am Abend erleben.
Gegen 18 Uhr kamen zwei jungen Männer und baten um Unterstützung. Der Vater des einen sei am auf der anderen Seite der Sperranlage und könne nicht zurück nach Jayyous, weil das South gate um 17 Uhr nicht geöffnet worden sei. Zunächst war dafür keine Begründung zu erfahren. Wir gaben dem Sohn die Telefonnummer der "Humanitarian Hotline" des Militärs, die man in solchen Fällen anrufen kann. Da sitzen zwar auch Soldaten, die sich aber in solchen Fällen - so wird gesagt - bemühen, den Betroffenen zu helfen. Jedenfalls ist das immer die Stelle, die man als erste anrufen muss. Er bekam die Auskunft, die Soldaten seien unterwegs, um das gate zu öffnen. Wir gingen mit den beiden zum gate. Dort tat sich nichts. Die "Humanitarian Hotline" wurde nochmals angerufen, die gleiche Auskunft. Daraufhin riefen wir "Machsom Watch" an, eine Friedensinitiative, die sich insbesondere der Probleme an den gates und checkpoints annimmt. Mickey, die Telefondienst hatte, intervenierte beim Militär und bekam ebenfalls die Auskunft, die Soldaten kämen bald, um das gate zu öffnen. Nach einer Viertelstunde kamen vier Jeeps. Die Begründung des Commanders dafür, dass das gate um 17 Uhr nicht geöffnet worden war: An der Sperranlage seien Steine auf die Jeeps geworfen worden. Auf unsere Erwiderung, der Bauer, der auf der anderen Seite warte, sei es ja wohl nicht gewesen, wurde geantwortet, das sei egal. Er könne es nicht hinnehmen, dass auf seine Soldaten Steine geworfen werden. Und dann folgten lange Ausführungen: Er und seine Kameraden täten hier ihre Pflicht, sie wollten keinen trouble. Wir sollten den Leuten im Dorf sagen, sie sollten dafür sorgen, dass auf die Soldaten keine Steine geworfen würden. Dann gebe es an den gates auch keinen Ärger. Er betonte mehrfach, es gehe hier nicht um eine Bestrafung. Danach wurde das South gate geöffnet, und der Bauer konnte mit seinen Schafen durch.
Natürlich kann man das Steinewerfen nicht gutheißen. Auch ein Teil der Bevölkerung des Dorfes ist auf die Jugendlichen, die bei den Demonstrationen gegen den Bau der Sperranlage mit Steinen auf die Soldaten werfen, nicht gut zu sprechen, weil niemand für die Schäden aufkommt, die ihnen entstehen, wenn die Soldaten gegen die Jugendlichen vorgehen. An diesem Beispiel am South gate wird aber die Strategie der Militärverwaltung deutlich: Unbeteiligte werden bestraft, um das Wohlverhalten anderer zu erzwingen, die Bewegungsfreiheit wird eingeschränkt, und die palästinensische Bevölkerung wird immer wieder im Unklaren darüber gelassen, mit welchen Entscheidungen und Maßnahmen sie rechnen muss. Die Menschen müssen mit dieser Ungewissheit und mit Regeln und Anforderungen leben, die nicht verlässlich sind, sondern immer wieder geändert werden, und sich stetig darauf einstellen. Das raubt ihnen viel Kraft. Ganz gleich, wie die Bauern an der Sperranlage behandelt werden: Die gates sind wie die checkpoints und die anderen Maßnahmen, durch welche die Bewegungsfreiheit der palästinensischen Bevölkerung eingeschränkt wird, ein Zeichen der "totalen und absoluten Kontrolle", so die Friedensinitiative "Breaking the Silence".

Das Foto zeigt die Sperranlage bei Jayyous im Januar 2009



 
 
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