BürgerInnen gegen den Krieg
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10. Bericht von Götz Schindler aus Israel

 
     
 

Zehnter Bericht aus Jayyous (13.4.2009)

Das Team, das nach uns in Jayyous tätig sein wird, ist hier eingetroffen. Es wird von uns in den nächsten Tagen eingewiesen. Am 15. April werden wir Jayyous verlassen. Mein Aufenthalt geht also zu Ende.

Ich danke euch für euer Interesse an meiner Tätigkeit im Team 30 von EAPPI in Jayyous. Ich danke euch auch für eure Geduld. Manches in meinen Berichten entsprang meiner Betroffenheit über die Lebensverhältnisse der Menschen, das Verhalten israelischer Soldaten und die Strategie der Militärverwaltung (soweit sie zu erkennen war), und es war sicher auch für euch nicht immer einfach, es "wegzustecken". Deshalb bin ich für euer Interesse besonders dankbar.

EAPPI hat nicht das Ziel, den Menschen durch politische Maßnahmen zu helfen. EAPPI ist aber insofern "politisch", als die Ehrenamtlichen vor Ort auch die Aufgabe haben, die Menschen außerhalb dieser Region über das, was in den besetzten Gebieten passiert, zu informieren: Information als Voraussetzung für politisches Interesse und Engagement. Aus diesem Grund war es für mich wichtig, über den Zustand der persönlichen Betroffenheit hinauszukommen. Deshalb habe ich in meinen Berichten auch über das informiert, was außerhalb von Jayyous vor sich geht. Dabei ist mir sehr schnell klar geworden: Jayyous ist kein "Exot", die Situation hier ist exemplarisch für die Lebensverhältnisse in den von Israel besetzten Gebieten in der Westbank. Ich habe in meinen Berichten Wert darauf gelegt, dies zu belegen, wann immer mir das möglich war. Deshalb die Verweise auf Daten, Untersuchungen, Meldungen etc. über andere Teile der besetzten Gebiete bzw. die besetzten Gebiete insgesamt. Zweitens habe ich versucht, Zusammenhänge aufzuzeigen, um - wiederum wenigstens ansatzweise - das System de Besetzung und ihre Ziele zu verdeutlichen. Dies mag untypisch für "Erfahrungsberichte" sein. Ich halte dieses Vorgehen aber für notwendig. Man kann die Hintergründe der Lebensverhältnisse und die Situation der Menschen nur dann deutlich machen, wenn man sich nicht darauf beschränkt, die persönliche Betroffenheit zum Ausdruck zu bringen.

Ich möchte auf zwei Fragen eingehen, die uns Ehrenamtlichen im EAPPI am häufigsten gestellt werden: Was könnt ihr erreichen? Seid ihr nicht einseitig?

Nur in wenigen Fällen können wir unmittelbar feststellen, ob wir etwas erreichen. Es gab an den "ga-tes" Situationen, in denen wir erreicht haben, dass überhaupt geöffnet und dass nicht zu früh ge-schlossen wurde. In unseren Berichten über das "North Terminal" in Qalqiliya haben wir immer wieder auf die verspätete Öffnung, den zu engen Zugang und die schleppende Abfertigung hingewiesen - bisher ohne Erfolg. Nach Hausdurchsuchungen und Verhaftungen wurden ebenfalls Berichte an das Internat. Rote Kreuz und Menschenrechtsorganisationen geschrieben. Insgesamt haben wir den Ein-druck, dass wir mit unserer Tätigkeit dazu beitragen, das Leben der Palästinenser in Jayyous ein wenig zu erleichtern. Schon unsere Anwesenheit und unsere Berichte "nach draußen" sind für die paläs-tinensische Bevölkerung eine Unterstützung, vor allem, wenn wir in unseren Heimatländern auch weiterhin über ihre Situation informieren und aufklären. M.a.W.: Auch wenn in konkreten Situationen wenig zu erreichen ist hilft den Menschen unsere Solidarität und das Wissen, dass sich jemand um sie kümmert.

Wir werden immer wieder gefragt, wie es denn mit unserer Unparteilichkeit bestellt sei. Es sind nicht die besonderen Vorkommnisse wie vor kurzem die Verhaftung eines jungen Mannes durch israelischen Soldaten, ohne dass ein Grund dafür vorlag (offensichtlich ging es darum, die Bevölkerung, insbesondere die Jugendlichen, einzuschüchtern). Es ist die gesamte Lebenssituation der palästinen-sischen Bevölkerung, die wir täglich erleben und die uns immer wieder deutlich macht, wie schwierig das Leben der Menschen hier ist. Darüber habe ich ja mehrfach berichtet. Auf was es mir hier an-kommt: Die Lebensverhältnisse in der von Israel besetzten Westbank sind mit dem Sicherheitsbedürfnis der israelischen Bevölkerung nicht zu rechtfertigen - bereits der Verlauf der Sperranlage östlich der "green line" spricht dagegen. Schon gar nicht sind die Menschenrechtsverletzungen und die Missachtung internationalen Rechts in den besetzten Gebieten mit dem Sicherheitsbedürfnis zu rechtfertigen. Nur wenn man sich das klar macht, kann man sinnvoll über Perspektiven reden. Es geht nämlich nicht einfach um "Frieden", sondern darum, dafür erst einmal die Voraussetzungen zu schaffen, d.h. Verhältnisse zu schaffen, unter denen Israelis und Palästinenser in zusammenleben können. Dass dies bis jetzt nicht möglich war, liegt nicht daran, dass - wie manche meinen - die israelische Regierung bereit sein muss, den Palästinensern "entgegenzukommen". Nein, hier geht es nicht um ein Entgegenkommen. Die israelische Regierung muss die Voraussetzungen für den Frieden schaffen. Menschenrechtsverletzungen und Missachtung des Spruchs des Internationalen Gerichtshofes (Bau der Sperranlage ist Verletzung des Völkerrechts) und Missachtung von UN-Resolutionen (z.B. Aufforderung, sich aus den besetzten Gebieten zurückzuziehen) - s. den Bericht des Sonderbe-richterstatters John Dugard an die Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen vom 21.1.2008, auf den ich mehrfach hingewiesen habe - sind kein Verhandlungsgegenstand, da ist kein "Entgegenkommen" gefragt. Die israelische Regierung muss ganz einfach das Völkerrecht achten, die UN-Resolutionen umsetzen und die besetzten Gebiete verlassen. Das sind die Voraussetzungen für einen Frieden. Nur dann sind israelische Regierung und Palästinensische Autonomiebehörde wirklich Verhandlungs-Partner. Da die israelischen Regierungen bisher dazu nicht bereit waren, muss man "einseitig" sein. Ja, ich bin es, und zwar vor allem deshalb, weil die "Einseitigkeit" der israelischen Regierungen im Hinblick auf die Menschenrechte für die palästinensischen Menschen zu untragbaren und für unser Rechtsstaatsverständnis nicht akzeptablen Verhältnissen geführt hat.

Nun ist der "Abschiedsbericht" doch länger geworden als geplant. - was den Vorteil hat, dass er sicherlich genügend Zündstoff für spätere Diskussionen enthält.

Ich wünsche euch noch einen schönen zweiten Osterfeiertag.


I work for the Evangelische Missonswerk in Südwestdeutschland (EMS) as an Ecumenical Accompanier serving on the World Council of Churches` Ecumenical Accompaniment Programme in Palestine and Israel (EAPPI). The views contained in this email are personal and do not necessarily reflect those of the Evangelische Missionswerk in Südwestdeutschland and the WCC. If you would like to publish the information contained here, or place it on a website, please first contact the Liaison Officer for the Middle East, Pastor Andreas Maurer, at the EMS, (Maurer@ems-online.org) or the EAPPI Communications& Advocacy Officer (eappi-co@jrol.com) for permission. Thank you.
Götz Schindler, Ecumenical Accompanier in Jayyous im Rahmen des EAPPI

 



 
 
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