BürgerInnen gegen den Krieg
im Landkreis Ebersberg
Home

 

 

Vortrag von Dr. Nikolaus Küfner über “Nahostkonflikt im Völkerrecht”

 
     
 

Völkerrecht durchsetzten statt umschreiben -
Beteiligung Deutschlands im Nahen Osten nicht hilfreich

Anhand vieler Beispiele belegte der Jurist Dr. Nikolaus Küfner, dass es den Völkern mehr nützen würde, wenn die Staaten das bestehende Völkerrecht durchsetzen würden. Er stellte in seiner Powerpoint-Präsentation dar, wie das Völkerrecht am klarsten in der Charta der Vereinten Nationen niedergelegt wurde. Nach Jahrhunderten und vor allem nach den beiden Weltkriegen war der Druck stark genug, diese Regeln allgemeinverbindlich zu vereinbaren. Eine Charta, die inzwischen von über 200 Nationen anerkannt wird, kann nicht durch eine einzelne Macht geändert werden. "Die Menschen aller Länder haben ein Gespür dafür, welche Taten ungerecht sind, dazu gehört vor allem, dass es Unrecht ist, einen Angriffskrieg zu führen." faßte Nikolaus Küfner auch die überwiegende Auffassung der Bevölkerung zusammen. In dem Konflikt zwischen Israel und seinen Nachbarländern stellte Küfner die Regeln "erlaubter Gewaltanwendung zwischen den Staaten" dar - er hätte genausogut einen der vielen anderen Konflikte in der Welt nehmen können.
Das Völkerrecht beruht darauf, dass Staaten sich gegenseitig wie Individuen behandeln. Also sind sie gleichberechtigt und das Verhältnis frei von militärischer Gewalt (wie es der Artikel 33 der UN-Charta regelt) - andere Abhängigkeiten bleiben unberücksichtigt. Selbstverständlich darf sich ein Staat gegen einen Angriffskrieg mit "Staatsnotwehr" verteidigen, erläuterte Dr. Küfner, er darf auch mit anderen Staaten ein defensives Militärbündnis schließen und diese zur Nothilfe rufen (nach Art. 51). Angriffskriege sind nach der UN-Charta verboten, das Gewaltmonopol liegt nach Art. 42 bei den Vereinten Nationen - alle Staaten der Welt haben diese Charta durch ihren Beitritt anerkannt.
Damit sie dennoch einen Krieg führen können, versuchen Staaten (wie auch Individuen) die Tatsache eines Angriffskrieges zu verschleiern und die eigene Bevölkerung und andere Staaten mit Aktionen und Worten zu täuschen. Als Beispiele nannte Dr. Küfner den von deutschem Militär inszenierten Angriff auf den deutschen Radiosender Gleiwitz (den Hitler als Anlaß für den Einmarsch nach Polen brauchte); die USA benutzten einen Zwischenfall im Golf von Tongking zum Angriff auf Nordvietnam; die vom US-Geheimdienst zusammengeschusterten Argumente, die zum US-Angriff auf den Irak im letzten Golfkrieg führten, sind uns noch frisch im Gedächtnis. "Es ist Gang und Gäbe, einen Kriegsgrund zu erfinden" resumierte Dr. Küfner, andererseits gebe es immer wieder "inszenierte Hilferufe von neu gebildeten Regierungen" wie von der Regierung Karmal, der 1979 die damalige UdSSR nach Afghanistan holte.

Zweifelhaft erschienen Dr.Nikolaus Küfner auch die Vorgänge, die zum Angriff Israels auf den Libanon führten, aber wesentlicher waren ihm die Art der Zerstörungen, welche die israelische Armee machte: Brücken und wichtige Verkehrswege bombardieren, Wasserversorgung vernichten sind Zerstörungen der Infrastruktur, die als Verbrechen gegen die Menschlichkeit gelten, ebenso wie das Bombardieren eines Tanklagers, so dass eine Ölpest im Mittelmeer folgte. Auch schädigten die Angriffe Unbeteiligte am Konflikt. Dazu kam der unbegreifliche Angriff auf einen seit Jahrzehnten bekannten UN-Beobachtungsposten. Alle diese militärischen Maßnahmen - die alle zur sogenannten modernen Kriegsführung gehören - sind völkerrechtlich als Kampf gegen die Bevölkerung zu werten und als solche im Völkerrecht verboten. Das sollten sie auch bleiben, denn nach Dr. Küfners Worten "ändern wir auch nicht das Eigentumsrecht, nur weil es bei uns Leute gibt, die andere beklauen".

Ebenso verbietet das Völkerrecht, Landraub als "Siedlungspolitik" zu verbrämen, das könne man in der Geschichte der Weltkriege erkennen. Besonders verärgert zeigte sich Nikolaus Küfner in der real praktizierten Sippenhaft bei der Sprengung ziviler Anwesen. Ein besonders schwerer Fall kam vor, weil eine mögliche Verwandtschaft zu Hassan Nasrallah zur dreiwöchigen Verschleppung eines Mannes führte und dabei dessen Haus zerstört wurde. Für Dr. Küfner haben solche Fälle besonderes Gewicht, weil er selbst aus einem Elternhaus stammt, das Juden half, die von Nazis geschädigt wurden. Das Völkerrecht sieht als Rechtsfolgen für solche Kriegsverbrechen die Bestrafung der Kriegsverbrecher vor und die beteiligten Staaten müssen als Gesamtschuldner Schadenersatz an den geschädigten Staat leisten.

Ein eigens Kapitel widmete Nikolaus Küfner dem Terror. Diesen Begriff gibt es im Völkerrecht nicht, er sollte auch nicht mit Krieg zusammengedacht werden im Slogan "Krieg gegen den Terror", denn Krieg gegen einen Begriff gibt es nicht, zumal "Terror" sehr verschieden definiert wird. Ein "Krieg" ist dagegen eindeutig eine militärische Auseinandersetzung zwischen mindestens zwei Staaten. Unterstützt ein Staat Terroristen nicht aktiv oder duldet er ihre Aktionen nicht wohlwollend, so ist nach dem Völkerrecht auch dann ein Krieg nicht erlaubt. Einen "Terrorangriff" führen wenige Individuen aus und dies bleibt eine kriminelle Tat, die polizeilich zu bekämpfen ist, auch wenn es mehrere Überfälle in Reihe sind. Militärisches Eingreifen bekämpft Selbstmordattentäter nicht effektiv, auch weil Militär ihre Beweggründe mit Militär nicht ausschaltet.

Der Einsatz deutscher Marine vor der Küste Libanons ist für Nikolaus Küfner "außerordentlich gefährlich", weil die Bundeswehr systematisch "nicht neutral" sein kann aus historischen Gründen. Israel bewies sich diese Nichtneutralität mit einigen Testflügen auf deutsche Schiffe. Nach Auffasung von Dr. Küfner lassen die USA im Nahen Osten durch Stellvertreter Krieg für die Festigung amerikanischer Ineressen führen. Israel läßt sich von den USA militärisch hoch überlegen ausrüsten und instrumentalisieren, um den unwilligen Rohstoffliferanten in der arabischen Welt zu drohen. Zu einer friedlichen Lösung des Dauerkonflikts gibt es keine Alternative; das beste Beispiel findet sich in der deutschen Geschichte. Man müsse die Ausgangslage bei der Entstehung des Staates Israel berücksichtigen, damals war das Gebiet Mandatsgebiet Englands. Viele Einwanderer riefen den Staat Israel aus, ein Gründungskrieg wurde geführt. An der realen Existenz Israels ließ sich schon nach wenigen Jahren nicht mehr rütteln, weitere Kriege festigten den Zustand. Nun ist eine Leugnung des Existenzrechts Israels durch palästinensische Politiker ein Verstoß gegen die UN-Charta. Andererseits gibt es ein Recht der Palästinenser auf einen eigenen Staat, seitdem das Königreich Jordanien das Westjordanland aus seinem Staatsgebiet entlassen hat.

Auch Alternativen zum Krieg sieht die UN-Charta vor (Art. 33 bis 38), nämlich die Entsendung von Beobachtern, Schlichtern oder eine Polizeitruppe der UN. Auch friedliche Sanktionen könnten nach Art. 41 beschlossen werden. Nikolaus Küfner hielt eine militärische Sanktion nach Art. 42 für nicht hilfreich in diesem Fall. Warum wurden diese Möglichkeiten nicht genutzt? Weil die UN mit amerikanischer Unterstützung ausgeschaltet wurde. Verhinderte die Sowietunion in den 50er und 60er Jahren viele Resolutionen des Sicherheitsrates, so hat sich dies seit den 1990erJahren geändert. Nun verhindern US-Vetos verbindliche Resolutionen, insbesondere gegen israelische Verletzungen der internationalen Rechtsordnung. Zudem zeigen militärische Angriffe Israels auf UN-Posten eine Geringschätzung der UN, weiterhin mißachtet Israel Beschlüsse der UN-Vollversammlung (die allerdings nicht verbindlich sind).

Der Krieg schwächt das Recht als Ordnung schaffende Institution, sagte Dr. Nikolaus Küfner. Der Krieg als stärkste Gewalt stärkt auch andere gewaltsame Lösungsstrategien - insofern muß man Krieg als Präzedenzfall betrachten. Auch die wirtschaftlichen Folgen eines Krieges sind pro Kopf der Bevölkerung riesig, sie können in bisherige Kriegskosten, mögliche Reparationen und Vernichtung von In- und Auslandsinvestionen in Palästina aufgesplittet werden. Vor allem die Europäische Union hat große Investionen während und nach den Osloer Friedensverhandlungen in die Infrastruktur Palästinas geleitet, damit ein sich bildender Staat lebensfähig werden könnte, diese sind im letzten Krieg systematisch zerstört worden. Falls der Internationale Gerichtshof (IGH) Israel wegen des Krieges verurteilen würde, kämen auf Israel Reparationen in enormer Höhe zu - allerdings ist der IGH nicht verpflichtet, von sich aus zu ermitteln. Der Sozialstaat Israels wurde durch die Kriege stark abgebaut, rechtsextreme Positionen nahmen stark zu, ach das sind Folgen des Präzedenzfalles.

In Deutschland und Europa, spielen die Medien eine wichtige Rolle: sie sollen den Menschen ermöglichen, sich ein eigenes Urteil zu bilden, meinte Dr. Nikolaus Küfner. Dazu müsse man wissen, dass höchstens ein bis zwei Prozent der eingehenden Nachrichten medienvermittelt erscheinen, jede Zeitschrift oder Sendung Medium muß die Komplexität reduzieren; die Art, wie sie Nachrichten weitergibt oder auch nicht meldet, sei für sie kennzeichnend. Medien verschieben die Gewichte, z.B. durch Verschweigen von Angriffen auf zivile Objekte oder Veröffentlichung eines einzelnen Bildes. Die Zerteilung des Westjordanlandes durch israelische Sperranlagen würden als Defensivmaßnahmen Israels dargestellt, in der Realität behindern die Checkpoints die Entwicklung Palästinas zu einer lebensfähigen Einheit, beständige willkürliche Kontrollen erniedrigen die Palästinenser in ihrer Menschenwürde. Die provisorische Regierung Palästinas sei nie in der Lage gewesen, irgendwelche terroristische Aktionen einzudämmen, würden ihr aber zugerechnet. Als Sharon den Tempelberg betrat, wurde das manchmal nicht als gewollte Provokation zur Verschärfung des Konflikts dargestellt, sondern beschönigend "Besuch" genannt. Manche Medien lassen sich als sekundäre Propagana-Waffe von den Militärs und einigen Politikern mißbrauchen.
Dagegen ist der Bürger aber nicht machtlos, betonte Dr. Küfner. Er müsse sich um andere Informationen bemühen, die allerdings nicht immer leicht zu erhalten sind. Andererseits könne aktiv an einer fundamental politischen Lösung mitarbeiten, niemand brauche sich über eine angebliche Ohnmacht selbst bemitleiden. Die klarste Möglichkeit "nimmt der mündige Bürger dann wahr, wenn er sich als Kriegsgegner artikuliert" betonte Dr. Nikolaus Küfner zum Abschluß seiner Analyse.



 
 
Copyright © 2016 BürgerInnen gegen den Krieg Ebersberg