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Vortrag des Rechtsanwalts und Philosophen Dr. Nikolaus Küfner über den Internationalen Gerichtshof

 
     
 

Am 1. August 2005 referierte der Rechtsanwalt und Philosoph Dr. Nikolaus Küfner über den Internationalen Gerichtshof.

Nikolaus Küfner stellte die Grundlagen des Gerichts vor, seine Vorgeschichte, die zu seiner Gründung führten, seine ethischen und moralischen Fundamente. Weiterhin erörterte Herr Küfner die rechtlichen Methoden und die Rechtstradition, in der er steht. Insbesondere erklärte er den Unterschied zwischen "römischer", also der bei uns üblichen, und "angelsächsicher" Gerichtsbarkeit. Ausführlich ging er auf die Anklagemethoden eines Europäischen Gerichtshofs ein und auf die politischen Hintergründe, die zu einer Anklage führen können oder auch nicht führen dürfen.

Kriege bedeuteten für die Herrscher in der Regel dann eine Gefahr, wenn sie verloren. Bei Erfolg eines Krieges gibt es keine gerichtliche Verfolgung von Staatslenkern oder Befehlhabern, selbst wenn die Siege mit schwersten Verbrechen errungen wurden. Zwei Denkansätze stellte Dr. Nikolaus Küfner heraus, warum bestraft werden kann: die Vergeltung und die Vorsorge, damit nicht weiterhin solche Untaten begangen werden sollen. Internationale Tribunale hatten nach Kriegen oder Bürgerkriegen diesen einen Anlass und lösten sich danach auf. Der Internationale Strafgerichtshof dagegen sollte dauerhaft arbeiten und sogar während der Kämpfe Hinweise und Beweise sammeln. Er sollte tätig sein, wenn innerstaatliche Gerichte und Anklagebehörden nicht tätig werden oder nicht tätig werden können.

Dr. Nikolaus Küfner bedauerte in seinem Vortrag auch, dass nach dem 2. Weltkrieg in den Nürnberger Prozessen "leider nur durch die Sieger" einige Befehlshaber des Naziregimes verurteilt wurden. Im Falle der NS-Diktatur waren es im Wesentlichen der Versuch, vermeintlich rassisch minderwertige Menschen auszurotten oder sie zu Versuchsobjekten zu machen. Der Referent bedauerte, dass die NS-Täter wegen "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" verurteilt wurden, statt wegen vielfachen Mordes, denn der Straftatbestand des heimtückischen Mordes war auch in der Zeit zwischen 1933 und 1945 nie abgeschafft.Die Nürnberger Rassegesetze machten zudem Unrecht zur staatlichen Norm.

Die Erfahrungen aus diesen Prozessen und den späteren Ereignissen in Ruanda und Jugoslawien bestärkten die Vorbereitungen zum Internationalen Strafgerichtshof. Weil ein großer Teil der ehemaligen englischen Kolonien das englisch-amerikanische Prozeßrecht hat und die USA als Mitunterzeichner der Gründung des IGHs dringend erwünscht waren, wurde dieses Verfahren eingeführt. Dennoch traten die USA nicht bei, insbesondere weil sie zwischenstaatliche Verträge verlangen und ihre Bürger vor dem Zugriff des IGH ausnehmen möchten. Die Beitrittsländer verpflichteten sich, Angeklagte an den IGH auszuliefern.

Organe des IGHs sind die Richter, die Staatsanwälte, die Verteidiger und die Angeklagten. Dabei ist die Anklage nicht verpflichtet, tätig zu werden, selbst wenn sie Kenntnis von schwersen Verbrechen bekommt. Nik Küfner stellte dies als den schweren Mangel heraus Ein weiterer ist die Parteilichkeit der Anklage und des Gerichts, die aus dem angewandten englisch-amerikanischen Rechtssystem folgt, in Filmszenen beschrieben mit dem Satz: "Alles, was sie ab jetzt sagen, kann gegen Sie verwendet werden!" Dagegen wäre das Gericht und auch die Anklage im römischen Recht im Prinzip der Wahrheitssuche verpflichtet. Das heißt, dass die Staatsanwaltschaft bereits verpflichtet ist, auch Entlastendes für den Beschuldigten zu ermitteln. Dieses Verfahren ist in Westeuropa und großen Teilen Afrikas und Südamerikas üblich. Bei der Verteidigung ergeben sich dabei große Schwiereigkeiten, weil sie bei weitem nicht finanziell und organisatorisch ebenbürtig sein kann. Möglich wäre auch gewesen, das Verfahrensrecht des Heimatlandes anzuwenden, so wie es im internationalen Handelsrecht getan wird.

Der Internationale Strafgerichtshof wendet Recht des internationalen Konflikts an: Friedens- und Kriegsrecht; weiterhin allgemeine Rechtsgrundsätze, die sich aus innerstaatlichem Recht ergeben, soweit sie analog anwendbar sind. Er hält sich an eigene frühere Entscheidungen bzw. entwickelt sie weiter. Beispielsweise werden Anklagen erhoben wegen Völkermord, Vertreibung, Versklavung, Folter, Nötigung zur Prostitution, Zwangssterilisation, Verfolgung von Gruppen, zwangsweises Verschwindenlassen von Personen, Apartheid, Verweigern der Justiz (das wäre z. B. für Guantanamo der Fall), Kriegsverbrechen, Terrorismus, Hinrichtungen ohne Urteil, Femeverbrechen, kein Pardon beim Vormarsch auch beim Ergeben von Frauen und Kindern, und vieles mehr.

Ein Nachbessern im IGH wäre nach Meinung des Referenten nötig in fünf Punkten:

  1. Das materielle Recht anwenden, aus dem der Angeklagte stammt.
  2. Das Legalitätsprinzip durchzusetzen, also keine Willkürlichkeit, ob Anklage erfolgt oder nicht.
  3. Anklagemöglichkeit auch ohne hinreichende Beweise.
  4. Die Anklage muss alle Sachverhalte dem Gericht zur Vergfügung stellen und nichts verheimlichen.
  5. Die Richter sollen verpflichtet werden, die materielle Wahrheit zu erkunden, denn die Schwere der angeklagten Delikte erfordern dies. Zudem sollte der Artikel 16 des Statuts wegfallen, der dem UN-Sicherheitsrat die Möglichkeit gibt, für zwei Jahre die Ermittlungen aufzuheben.

Die Diskussion mit den 14 Anwesenden bezog sich vor allem auf das Umgehen der Angeklagten mit den Medien, die Amtshilfe von Behörden, die Rechtsgrundlage bei Naziverbrechen, Reparationen nach Kriegen, die Art der Naziverbrechen und derern Verurteilung in den Nürnberger Prozessen auf das Grundgesetz und unser jetziges Recht.

Die Ebersberger Landkreisausgabe der Süddeutsche Zeitung berichtete am 06.08.2005 über den Vortrag.




 
 
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