BürgerInnen gegen den Krieg
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Zusammenfassung des Vortrags von Clemens Messerschmid (Ramallah)

 
     
 

Liebe LeserInnen,

wenn Israels Minister darüber offen sprechen, ob der Palästinenserpräsident Arafat ausgewiesen oder umgebracht werden soll, füllt das natürlich die Schlagzeilen und die Kommentarspalten. Dazu ist es gedacht. Es ist inszenierte Politik, die das verdecken soll, was tatsächlich in Israel und Palästina geschieht und völlig unwichtig werden lässt, wer in dem zerstückelten, zerstörten und strangulierten Palästina mit großer Klappe vor die Weltkameras tritt.

Arafat, auch wenn er tausend Mikrofone vor sich hätte, kann nicht verhindern, dass seine Bevölkerung, für die er sprechen soll, nicht über das zum Leben Notwendige verfügt. Den Palästinensern bleibt in Zukunft nur noch die Luft zum Atmen. Sie kann ihnen nur an der Gurgel abgeschnürt werden. Das Wasser zum Leben haben sie im Moment noch, aber sie werden mit einer sogenannten "Sicherheitsmauer" davon abgeschnitten.

Bekannt ist die Trockenheit Palästinas, die im Laufe der nächsten Jahrzehnte zunehmen wird. Wenn aus natürlichen Quellen oder aus gebohrten Brunnen die Felder bewässert werden können, ist das Land äußerst fruchtbar. Zur Zeit verbringt Clemens Messerschmid, der als Geologe und Wasserexperte in Palästina arbeitet, einen Urlaub in der Heimat. Er sprach über sein Fachgebiet im Münchner "Eine Welt Haus" vor der "Jüdisch-palästinensichen Dialoggruppe". Er berichtete, es seien seit 1967 (also seit 35 Jahren) keine neuen Brunnen für Palästinenser gebohrt wurden. Es gibt aber durchaus noch unerschlossene Grundwasservorräte, aus denen sogar stark Wasser gefördert werden könnte, solange jährlich die Vorräte durch Regen wieder aufgefüllt werden. Aber in dem von Messerschmid beobachteten Gebiet nördlich der Linie Tel Aviv-Jerusalem-Jordan liefern 500 tiefe Brunnen Wasser für Israelis, aber nur 140 flache Brunnen Wasser für Palästinenser.

Die palästinensichen Brunnen ergeben 7% des gesamten Wassers (30 Millionen Kubikmeter), die israelischen 93% (330 Millionen Kubikmeter) jährlich. Das liegt nicht nur am Alter der Brunnenanlagen, sondern auch an deren geologischer Lage. Zwischen Mittelmeer im Westen und dem Jordantal im Osten verläuft der Bergrücken, an dem sich die Westwinde abregnen können, wobei die näher am Mittelmeer gelegenen Gebiete begünstigt sind. Die Palästinensergebiete mit ihren Brunnen liegen östlich der vom Regen begünstigten Region. Die für Ackerbau geeignete Fläche der Palästinenser wird durch den Bau der Trennungsmauer enorm verschlechtert, was sich nicht nur mit der blanken Zahl von 238 Quadratkilometer beschreiben lässt. Das Entscheidende ist auch nicht die Länge der Mauer (die die historische Berliner Mauer weit hinter sich lässt) mit ihren 350 km, eventuell auch 650 km, sondern die Form, die mit ihren hunderten von Krümmungen fast immer die ertragreichen Quellen und landwirtschftlich nutzbaren Flächen für Israel erschließt, und für die Palästinenser nur miserable Stücke belässt. Zudem werden hundertfach die Bauern von ihren angestammten Feldern so abgeschnitten, dass sie nicht oder nur unter der Bedingung einer Besuchserlaubnis erreichbar wären. Messerschmid errechnete einen Verlust von 5 Millionen Kubikmetern Wasser (23%) und 15 Millionen Quadratmetern Acker (75%, in Worten: fünfundsiebzig).

Die verschiedene Länge der Sicherheitsmauer erklärt sich aus den verschiedenen Planungen. Je nach Interessenlage verläuft die Mauer relativ einfach um die besetzten Gebiete (so die Idee der israelischen Linken), oder schließt alle gerade noch erreichbaren vorgeschobenen Siedlungen mit ein, wodurch sich ein mäandrierender Verlauf innerhalb der besetzten Gebiete ergibt. Teilweise ist die Mauer bereits errrichtet, 9 Meter hoch, mit Wall und Gräben, gepflügten Streifen und elektronischer Sicherung, selbstverständlich mit schmückender Stacheldrahthaube.

Die israelischen Siedler im besetzten Palästinensergebiet waren anfangs gegen den Zaun, nun bekommen sie von der Scharon-Regierung die Zusicherung, alle gerade noch erreichbaren Siedlungen einzuverleiben. Über den tatsächlichen Verlauf der Mauer wird nur ganz wenig debattiert, geschweige über dessen menschliche, ökonomische oder politische Folgen nachgedacht. Natürlich kostet der Zaun eine enorme Summe und wird den Staatshaushalt sprengen.

Clemens Messerschmid zeigte die scheinbar absurd verlaufenden Pläne, die im Buch "The Wall" und auf der Web-Site "pengon.org" zu betrachten sind. Sie zeigen, dass für die palästinensiche Seite kein Raum für Entwicklungsmöglichkeiten besteht. Jeder erdenkliche Quadratmeter wird in den besetzten Gebieten auf die israelische Seite hin erschlossen. Palästinensche Siedlungen, die wenige Kilometer auseinander liegen, werden durch lange Zungen des Sicherheitswalls so voneinander getrennt, dass große Umwege mit stundenlangen Fahrten durch mehrere Kontrollposten erforderlich sind. Ein ökonomischer Produkt-Austausch oder familiäre Besuche sind damit faktisch unterbunden. Die "Regierung" eines solchen Gebietes ist praktisch unmöglich, der Zustand nähert sich denen der früheren südafrikanischen "Homelands" an.

Während die anfangs vereinzelten, jetzt breit und tief verstreuten israelischen Siedlungen geräumt werden könnten, stellt die Vollendung des Mauerbaus in ca. zwei Jahren eine sehr dauerhafte Maßnahme dar. Clemens Messerschmid nannte sie "gefährlich", aber sie sei noch "verhinderbar", wenn sich in Israel selbst eine Protestdiskussion ergeben würde In seinen abschließenden zehn Thesen bezweifelte er, dass dieser Wall überwachbare Sicherheit bringen könnte, weil er zu lang sei, für ihn komme ein Sicherheitszaun nur auf der so genannten "Green Line" von 1967 in Frage.

Seinen Worten nach sind die Palästinenser nicht in der Lage, den Verlauf der Mauer zu verhindern, sie seien bereits jetzt ruiniert und seelisch gebrochen. Sie sehen die Mauerpläne und verhöhnen die eigenen Politiker, die über diese zerfetzten Reste Palästinas mit Israel und den USA diskutieren wollen. Die zweite Intifada schätzte Messerschmid als "schädlich für die Palästinenser" ein und wies auf die Unfähigkeit der Arafat-Regierung hin, mit solchen Problemen wie der Wasserknappheit umzugehen. Dies zeigte sich auch in der mangelnden Unterstützung von palästinensichen Familien, denen ihre Felder oder Häuser durch die israelische Militärverwaltung enteignet wurden, nicht erst seitdem der Separationswall errichtet wird. Erst in einigen wenigen Fällen konnten Nicht-Regierungs-Organisationen den betroffenen Familien helfen.

Keiner der Zuhörer in dem überfüllten Saal würde Israels Existenzrecht bezeifeln, aber auch keiner das Existenzrecht der Palästinenser. Clemens Messerschmid schilderte nur andeutungsweise seine Sicht der Zukunft, demnach gäbe es zwei Staaten. Meiner privaten Meinung nach kann das in einem Gebiet, das im Norden 50 km, in der Mitte 100 km breit und 300 Kilometer lang ist und von der Wüstenbildung schwer betroffen sein wird, nur eine Übergangslösung sein, das kriegfreie Leben nebeneinander sollte durch das Leben ohne Grenzen miteinander abgelöst werden. Dazu gehört auf beiden Seiten das gegenseitige Anerkennen und Achten der Würde des Anderen.

Viel Geduld beim Analysieren der geologischen und geographischen Karten wünscht
Werner J. Schmidt-Koska.

 
 
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